(von Markus Bähr)
Eigentlich hatte ich Anfang der Woche ein ganz normales Wochenende am Flugplatz erwartet. Die Wettervorhersage war sonnig, aber wenig thermisch. Ich nahm mir also vor, vielleicht mal einen Freund im Segelflugzeug mitzunehmen oder meine ersten Flüge im Discus zu machen. Letzteres gelang mir dann mit Unterstützung von Heiner auch, doch das sollte nicht der Höhepunkt meines Wochenends werden.
Mittwochabend ploppte eine WhatsApp-Nachricht in der Flugplatzgruppe auf. Maik suchte jemanden, der ihn Freitagabend in Paderborn am Flughafen abholen würde. Als Gegenleistung bot er einen freien Sitzplatz in der Cessna für einen Nachtflug am Samstag an. Ein toller Deal, dachte ich, hatte selbst aber die Wochenendplanung mit meiner Familie noch nicht besprochen. Als sich dann am nächsten Morgen noch niemand gefunden hatte, sagte ich Maik zu. Der Deal stand und meine Vorfreude stieg von Stunde zu Stunde.
Maiks Patentante Lisa hatte diesen besonderen Flug im letzten Jahr zum runden Geburtstag geschenkt bekommen. Zusammen mit ihrem Mann Reinhold wollte sie ihn an diesem Wochenende einlösen. Die beiden waren ebenfalls voller Vorfreude, als ich sie am Samstagabend kennenlernen durfte. Um 19:15 Uhr ging es in Attendorn los. Nach einem routinierten Vorflugcheck und der Aufgabe des Flugplans starteten wir an unserem heimischen Flugplatz in den Sonnenuntergang. Schon das Gefühl, zu einer Uhrzeit zu starten, zu der man sonst ohne Nachtflugberechtigung (NFQ) spätestens gelandet sein sollte, fand ich spannend. Dann dieser Ausblick, zunächst nach vorne in den Sonnenuntergang und zum Mond, der neben der sehr klar sichtbaren Venus stand. Noch konnte man im Restlicht der Dämmerung Ortschaften, Wälder, Flüsse und Seen erkennen. Nur kurze Zeit später waren es nur noch Ansammlungen von Lichtern und schwarze Felder. Die Lichter ließen sich erstaunlich gut auseinanderhalten. Straßen, Wohngebiete, Industriegebiete, Befeuerungsbeleuchtung von Luftfahrthindernissen (z.B. Windräder oder Sendetürme), alles war gut erkennbar. Bei den dunklen Bereichen sah das schon ganz anders aus. Ob Wald, Grünfläche, Feld oder Gewässer konnten wir auch mit gutem Willen nicht mehr unterscheiden. Große Flüsse wie der Rhein zeichneten wenigstens noch markante Bögen in das Lichtermeer der Großstädte.
Auf unserem Flug Richtung Ruhrgebiet konnte man sehr gut beobachten, wie die Städte immer größer wurden und die schwarze Landschaft immer weniger wurde. Nördlich des Ruhrgebiets, nachdem wir das beeindruckend große Gelände des Chemieparks Marl umflogen hatten, drehten wir ab Richtung Düsseldorf. Das Anmelden beim Tower Düsseldorf und das Einholen der Genehmigung zum Überqueren des Flughafens liefen problemlos. Dabei und auch beim Rest des Fluges war Maiks Souveränität im Sprechfunk deutlich erkennbar. Nach dem Queren des Flughafens und Verlassen der Kontrollzone Düsseldorf dauerte es nur wenige Minuten bis Köln. Auch hier war das Anmelden und der Einflug in die Kontrollzone kein Problem und wir bekamen sogar die Genehmigung zum tiefen Überflug. Die Erlaubnis, über der Innenstadt ein paar Kreise zu drehen, wurde uns sehr deutlich etwa mit den Worten verwehrt: „Fliegen sie direkt zu Piste 14L zum tiefen Überflug, machen sie danach eine Linkskurve und verlassen Sie die Kontrollzone in Richtung Paderborn“. War halt scheinbar viel Verkehr und tatsächlich bekam auch eine Verkehrsmaschine direkt nach unserem Privatvergnügen die Genehmigung zur Landung, die hätten wir wohl sonst zu lange aufgehalten. Man denkt ja in einem großen Flugzeug schon mal, man würde langsam fliegen und die Landebahn wäre lang. Die rund 3,8 km der Piste erscheinen in einem kleinen Flugzeug sehr lang. Man kommt sich winzig vor, wenn man an den parkenden Jets vorbeirauscht und denkt, dass man jeden Moment landet, dabei bretterte die Cessna 182 grade mit rund 200 km/h in Bierflaschenhöhe über den Asphalt. Sehr beeindruckend.
Schon kurze Zeit nach diesem Erlebnis waren wir auch schon vorbei an Olpe in Attendorn angekommen. Kurz die Genehmigung eingeholt, die Flughöhe zu verringern um unseren Heimatort bei Nacht umfliegen zu dürfen, kreisten wir in wenigen hundert Metern Höhe über der Stadt. Das Bild, das man bei Tageslicht bereits in- und auswendig kennt, war plötzlich ganz fremd. Es brauchte einige Sekunden bis die Orientierung unter Zuhilfenahme markanter Punkte wieder da war. Dann erkannte ich aber alles sehr genau und genoss diesen besonderen Ausblick. Einige Vereinskollegen, die sich am Flugplatz aufhielten, hatten uns natürlich längst gehört. Mein Telefon klingelte mehrfach und ich erhielt die Nachricht, dass man am Platz auf uns wartet. Also sind wir natürlich kurz über den Platz geflogen, um die winkenden Fliegerfreunde zu begrüßen. Viel mehr konnte man dort in der Dunkelheit jedoch nicht erkennen.
Leider ging es nun bereits Richtung Zielflughafen Paderborn. Im Anflug an unsere zugewiesene Piste erklärte Maik uns das Anflugsystem ILS, mit dem er selbst bei völlig geschlossener Wolkendecke ohne Sicht zielgenau anfliegen könnte, zurzeit nur nicht dürfte wegen ausgelaufener Lizenz. Trotzdem nutze er das System zur Unterstützung für eine perfekte Landung, die wir zum Glück bei klarem Himmel schön mitverfolgen konnten. Den direkten, frontalen Blick auf die beleuchtete Landebahn hat man im Urlaubsflieger sonst in der Regel auch nicht.
In Deutschland haben nicht viele Privatpiloten eine Nachtfluglizenz und halten diese auch aufrecht. Deshalb war dieses Erlebnis etwas Besonderes, vielleicht Einmaliges. Mir ist auch klar, dass der Tausch Abholung in Paderborn gegen zwei Stunden Nachtflug mit der Cessna ein ungleicher Tausch war. Ich habe diesen Flug sehr genossen und wünsche jedem, auch einmal diese Gelegenheit zu bekommen. Ich jedenfalls würde zukünftig jede weitere Chance wahrnehmen, ohne zu zögern.